Kapitel 1.1: Die Rudergesellschaft von 1874 (Nelson) e. V.

Im Sommer 1874 trafen sich in ihrer Freizeit an der Saale zwei Freunde, Oskar Schmidt und Paul Moewes, um in schweren Mietsbooten zu rudern. Ihre Übungen fanden bald Anklang und so bildete sich ein Kreisjunger Schüler und Kaufmannslehrlinge im Alter von 14-16 Jahren, die am 13. Oktober 1874 den Ruderklub „Nelson“ gründeten.

Diese wassersportbegeisterten Jugendlichen waren: Alb. Brandt, Paul Moewes, Rud. Müller, Max Schmidt, Oskar Schmidt, Alb. Steiner, Herm. Vetter, Max Wendenburg, Max Winter, Reinh. Wolf und Ernst Zaeper. Paul Moewes wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt. Gerudert wurde in doppelsitzigen, dreireihigen schweren Mietsjollen. Vom großen Gönner des Vereins, Bootsbesitzer Knothe, wurden im Sommer 1880 zwei gleichgebaute, schlanke Boote angeschafft, mit denen zwei Mannschaften trainieren und Wettkämpfe austragen konnten. 

Mit den im Sommer 1881 gegründeten halleschen Ruderklubs „Neptun“ und „Trafalgar“ kam es am 3. Juli 1881 zum ersten Rennen in Halle auf der Strecke zwischen Gimritzer Wehr und dem Saaleschlösschen, das der Vierer mit Steuermann von Nelson gewinnen und seinen ersten Pokal, eine Bierkanne, stolz in Empfang nehmen konnte.

Der Wunsch, ein eigenes Boot zu besitzen, ging durch Ausgabe von Anteilscheinen zur Deckung der Kosten für einen Halbausleger-Vierer-Gig in Erfüllung, der vom Hamburger Bootsbauer Heidtmann geliefert und am 23. März 1883 in feierlicher Form vom Bahnhof in Halle zum „Saaleschlösschen“, teilweise auf einem Wagen gefahren und teilweise getragen wurde. Am 5. Mai wurde es auf den Namen „Undine“ getauft. 

Am 18. Januar 1884 wurde der Ruderclub von 1874 (Nelson) in den Deutschen Ruder-Verband aufgenommen. In diesem Jahr wurde das erste Rennboot, ein Vierer, angeschafft, der auf den Namen „Nelson“ getauft wurde. Ihm folgte 1885 ein Dollenzweier mit Steuermann.

Erster Pokal im ersten Sieg: Der Deckel eines Bierkruges

Für die Unterbringung der Boote machte sich der Bau eines Bootshauses erforderlich. Hier half wieder Herr Knothe und baute auf seinem Grundstück zu seinen Kosten in Kröllwitz, gegenüber der Saaleschlossbrauerei ein solches Gebäude, was am 8. August 1884 eingeweiht wurde.

Mit den neuen Booten wurden viele Regatten im mitteldeutschen Raum und Berlin besucht, wo die Ruderer um Paul Moewes, der damals erfolgreichster Nelsone war, einige Siege heimtrugen. Paul Moewes war 1. Vorsitzender der RG Nelson und gilt als Nestor und Gründer des halleschen Rudersports. Für den halleschen Rudersport von Vorteil war die Gründung vom Regatta-Verein am Salzigen See am 29. Juni 1886, der schon 1887 die 1. Nationale Regatta ausschrieb, die allerdings, wie so oft auf diesem See, teilweise „im Sturm unterging“.

Wenn auch für das von Herrn Knothe gemietete Bootshaus wenig Pacht zu zahlen war, bestand der Wunsch, ein eigenes Bootshaus zu besitzen. Dazu fand man ein Grundstück neben Kramers Restaurant, das teils abgerissen, teils entsprechend ausgebaut und am 23. September 1888 eingeweiht wurde. Hier hatte der Verein passende Räume, Schlafsaal und Versammlungsraum, jedoch wenig geeigneten Platz zur Unterbringung der Boote. Durch eingetretene finanzielle Schwierigkeiten und enorm gestiegene Abgabekosten für das Grundstück, beschloss man im Herbst 1890, dieses aufzugeben und in den benachbarten „Krug zum grünen Kranze“ überzusiedeln, wo der Verein ein eigenes Vereinszimmer zur Nutzung erhielt.

„Krug zum grünen Kranze“ – Unterkunft des Ruderklubs von 1874 „Nelson“ von Ende

Ein weiterer Grund der entstandenen finanziellen Lage war neben dem Bootshaus und weiterer Bootskäufe die Beteiligung an dem im Januar 1889 gegründeten Regatta-Verein Giebichenstein-Halle, dessen erste nationale am 4. August trotz hoher Aufwendungen ein Desaster war. Die mit hohen Kosten errichteten Tribünen waren fast leer. Dem Regatta-Ausschuss war es nach all der aufgewandten Mühe, Arbeit und Geldkosten klar, das unsere liebe Saalestadt zur Zeit noch kein Platz war, um erfolgreich Regatten auszutragen.

Obwohl man im „Krug zum grünen Kranze“ den Bootsschuppen bedarfsgerecht erweitert und die Fassade zum Wasser hin erneuert hatte, nahm der Plan 1895, ein eigenes Bootshaus zu bauen, durch günstige Zinsen für Baukosten durch die Mitglieder der Herren Kommerzienrat Lehmann und Steckner und der Unterstützung vieler opferfreudiger Mitglieder Gestalt an. Zimmermeister Albrecht wurde der Auftrag erteilt, für 8000,- M auf der Peißnitz ein neues Bootshaus zu errichten. Das Bootshaus wurde am 11. Juli 1896 fertiggestellt und am 2. August feierlich eingeweiht. Voll Stolz wurde zum ersten Male im neuen Heim die blau-weiß-rote Flagge gehisst, die glückverheißend zwischen den alten schattigen Bäumen flatterte und Ansporn für alle Nelsonen war, sich nun mehr mit ganz besonderem Eifer und Treue dem Klub zu widmen.

Die blau-weiß-rote Flagge des Ruderklubs „Nelson“.
Am 2. August 1896 wurde das Bootshaus auf der Peißnitz eingeweiht.

Mit dem neuen Bootshaus setzte sich im besonderen Maße die fruchtbare und erfolgreiche Zeit für die Nelsonen fort. Nach dem Achter,-neu für die Region,- der bereits 1894 angeschafft wurde, bestellte man 1897 einen neuen Rennvierer und zwei neue Übungsboote, einen Gig-Zweier und einen Gig-Vierer. Trotz des ansehnlichen Bootsparks waren aber kaum noch Siege zu verzeichnen. Im Jahr 1900, nach dem 25. Stiftungsfest gab es sogar keinen einzigen Sieg für die Nelsonen.

Der 1897 angeschaffte neue Rennvierer vor dem neuen Bootshaus auf der Peißnitz.

Am 13. Oktober 1899 konnte die Rudergesellschaft von 1874 Nelson auf ein 25 jährige Rudertätigkeit zurückblicken und feierte dieses Jubiläum mit einem Fest in den großen Räumen der „Kaiser-Säle“.

Der Verein ist die inzwischen auf fast 400 Mitglieder angewachsenen und das Bootshaus zu eng geworden. Dank der Opferfreudigkeit der Mitglieder wurde es umgebaut und mit einem Anbau versehen. Die Einweihung fand, zusammen mit dem Anrudern, in festlicher Weise am 9. Mai 1909 statt. In den Jahren 1905 bis 1912 erlebte die RG Nelson einen erheblichen Mitgliederzuwachs durch Übernahme des Schülerruderns vom Städtischen Gymnasium (18.05.1905), dem Akademischen Turnverein „Gothia“, die Burschenschaft „Allemania auf dem Pflug“, die Turnerschaft „Marchia“ und Ruderriegen der „Lateinischen Hauptschule“, der Oberrealschule „Frankesche Stiftungen“ und des „Städtischen Reformrealgymnasiums“.

422 Mitglieder trainierten mit 7 Renn- und 8 Übungsbooten. Das Training übernahmen die Herren Bührlein als Ruderältester, Knäusel und Krasemann als Ruderwarte. Nach 3 sehr erfolgreichen Jahren hatte man sich für das Jahr 1914 sehr viel vorgenommen. So wurde auch wieder ein Ruderlehrer (Herr Fürstweger) eingestellt, der mit den sportlichen Leitern, den Herren Bührlein und Knäusel die Trainingsleute in Hochform bringen sollte. Man hatte auch schon 10 Siege errungen, als die Freude darüber am 2. August mit der Kriegserklärung jäh unterbrochen wurde. Jegliche sportliche Tätigkeit wurde abgebrochen, was bis auf spätere Aktivitäten der Jugend- und Damenruderer sowie Wanderfahrten und Klubregatten bis zum Jahre 1918, bzw. bis zur ersten Nachkriegsregatta am 29 Juni 1919 beibehalten wurde.

Um mit dem Vereinsnamen in Bezug auf den Kriegsgegner nicht in Misskredit zu fallen, fand am 16. August 1914 eine außerordentliche Hauptversammlung unter Leitung der Herren Moewes und Boerner statt, in der mehrheitlich beschlossen wurde, den Namen „Nelson“ aus dem Vereinsnamen zu streichen. Diese Änderung ist im Vereinsregister beim Amtsgericht unterm 4. Januar 1915 mit Stempel und Unterschrift bestätigt. Bei den Mitgliedern blieb den Name „Nelson“ umgangssprachlich erhalten.