Kapitel 2.2: Hallescher Ruderverein „Böllberg“ von 1884 e. V.

Am 14. September 1916 wurde auf Betreiben des ersten Vorsitzenden Franz Joest einstimmig beschlossen: die Gründung einer Kanu-Abteilung und Beitritt des Vereins zum Deutschen Kanu-Verband und die-Gründung einer Jugendabteilung und Beitritt des Vereins zum Jugendruderverband.

Die Gründung der Kanu-und Jugendabteilung brachte dem Verein in den schweren Kriegsjahren wieder Mitglieder und fand allseitig begeisterte Aufnahme. Im Jahre 1917 führte der HRV Böllberg dann auch noch das Damenrudern ein, obwohl Damenrudern als Wettkampfsport vom Deutschen Ruder-Verband erst 1926 zugelassen wurde.

1919 wurde der Damenruderverband des DRV gegründet. Das Training begann1923 unter guten Anzeichen. Dem Ruderältesten Herrn Timpernagel und dem Ruderlehrer Herrn Eckl stellten sich 30 Ruderer zum Training. Am Ende gab es auf offenen Regatten des Deutschen Ruder-Verbandes 11 Siege. 3 im Vierer und 8 im Einer durch Franz Büsching jun. Ein besonderes Ereignis war die Teilnahme des Doppelzweiers Franz Büsching/Max Hauer an der Deutschen Meisterschaft 1924 in Frankfurt. Vom späteren Meister, Germania Frankfurt aus der Bahn gedrängt, fuhren sie dennoch ein bemerkenswertes Rennen, das Franz Joest in einem Sonderbeitrag des Böllberger Vereinsboten 9/1924 würdigte.

Die Kanuabteilung im HRV

Obwohl die kleinere Abteilung, war die Kanuabteilung die erfolgreichste Sparte im  Halleschen Ruderverein von 1884. Von Franz Joest 1916 ins Leben gerufen, wurde sie 1921 von Otto Blankenstein übernommen, der sie in den erfolgreichstem Jahr 1923 zum führenden Kanuverein ganz Deutschlands entwickelte (von 10 Meisterschaften –> 7 Siege).

Siegreich begonnen hatte man mit der ersten Kanuregatta des Ober-Elbe und des Lausitzer Kreises am 9. Sept. 1917, die dann bis 1921 als Kreismeisterschaften jährlich ausgetragen wurden und für den HRV mit 10 Kreismeistertiteln so erfolgreich endeten:

  • 1917:
    • Einerkajak-Kreismeister: Ernst Scheffler
    • Zweierkajak-Kreismeister: : Max Leibrich, Otto Schubert
  • 1918:
    • Einerkajak-Kreismeister: Max Leibrich 
    • Zweierkajak-Kreismeister: Otto-& Paul Schubert
  • 1919:
    • Einerkajakl-Kreismeister: Ernst Soheffler 
    • Zweierkajak-Kreismeister: Heinrich Stöcker, Herm. Schaaf
  • 1920:
    • Einerkajak-Kreismeister: Ernst Scheffler
    • Zweierkajak-Kreismeister:  Ernst Scheffler, W. Ulrich 
  • 1921:
    • Einerkajak-Kreismeister: W. Ulrich
    • Zweierkajak-Kreismeister: Ernst Scheffler, W. Grün
Paul Turich
Werner Feustel, Paul Turich, Gerhard Geike

1927 konnte der HRV an seine Flagge heften – 17 deutsche Meistertitel und zwar:

  • 6-facher Deutscher Meister im Einerkajak
  • 7-facher Deutscher Meister im Doppelkajak
  • 3-facher Deutscher Kampfspielmeister
  • 1 mal Deutscher Faltbootmeister

Erfolgreichste Sportler der Kanuabteilung waren:

  • Paul Turich: 10facher Deutscher Meister im Kajak – 56 Siege
  • Gerhard Geike: 5facher Deutscher Meister im Kajak – 22 Siege
  • Wilhelm Ulrich: 3facher Deutscher Meister im Kajak und Deutscher Kampfspielmeister
  • Werner Feustel: Deutscher Meister im Doppelkajak – 29 Siege
  • Ernst Scheffler:Deutscher Meister im Doppelkajak
  • Rudolf Weingärtner: Deutscher Meister im Doppelkajak und Deutscher Kampfspielmeister

Die Erfolgsserie von 140 Siegen endete, als das Boot von Paul Turich zu den Meisterschaften in Potsdam ausgeschlossen wurde und deshalb der HRV aus dem Deutschen Kanu-Verband austrat.

Im Jahre 1930 begann in sportlicher Hinsicht eine sehr erfolgreiche Zeit. Der Wanderruderlehrer des Deutschen Ruder-Verbandes, Bernhard Bach, wurde für ein Jahr verpflichtet. Danach konnte der bekannte Amateurtrainer, ehemaliger Europameister (Gent, 1913im Achter) aus Frankfurt a.M., Werner Furthmann, der beruflich in Halle tätig war, als ehrenamtlicher Ruderlehrer gewonnen werden. Er brachte unseren Ruderern „die letzten Feinheiten“ bei. Dies alles sollte sich für den HRV auszahlen.

Werner Furthmann
„Hauer-Vierer“ mit Trainer Werner Furthmann, Max Hauer, Heinz Tempel, Ruderältester Franz Büsching und Kurt Hartick

Bemerkenswert die Erfolgsserie des 1. Senior-Vierers mit Franz Werner, Heinz Tempel, Kurt Hartick und Max Hauer (Schlag) die 1931 dreimal im Vierer ohne und fünfmal im Vierer mit Steuermann Bernhard Nilius erfolgreich waren. Ihre Überlegenheit war so groß, dass sie leider keine Gegner im mitteldeutschen Raum mehr fanden und einige Rennen, so auch beide Hauptrennen der halleschen Regatta, ausfielen. Sie errangen bis 1932 achtzehn Siege. Auch eine Achtermannschaft bildete sich heraus, die 1930 zwei Sieg errang.

Das Jahr 1934 sollte mit seiner Feier zum 50. Stiftungsfest ein festliches Jahr werden die Feierlichkeiten wurden sehr gründlich durch eine Gesellschaftskommission unter Leitung des neuen 1. Vorsitzenden, Otto Metz, der 1933 das Amt von Otto Blankenstein übernommen hatte, vorbereitet. Viel Aufwand wurde vorher auch durch eine weitere Restaurierung des Bootshauses betrieben. In sportlicher Hinsicht war das Jahr des 50. Stiftungsfestes völlig ungenügend, denn es war das einzige Jahr der Vereinsgeschichte ohne jeglichen Sieg.

Zu groß war die Lücke durch die Auflösung des in den letzten Jahren so erfolgreichen „Hauer-Vierers“. Am 20. und 21. Oktober 1934 fand dann die Feier unter Teilnahme der Gründungsmitglieder Wilhelm Dankwarth und Oskar Breitter, den „Groß-Böllbergern“ Franz Joest, Hans Mylius und Otto Blankenstein sowie Dutzenden von Gästen befreundeter Vereine, der Staatsregierung, der Stadt und dem Deutschen Ruder-Verband statt. In seiner Festrede erinnerte Franz Joest nochmals an die Erfolge des Vereins, den 275 Siegen, wovon 131 auf den Ruder-Verband und 144 auf den Kanu-Verband entfielen. Der Verein hatte hervorgebracht 126 Sieger im Rennrudern und 19 siegreiche Steuerleute.

An der Spitze steht Max Hauer mit 42 Siegen. Er ist obendrein der erfolgreichste Rennrudererder Stadt Halle. An zweiter Stelle folgt Franz Büsching mit 28 Siegen, 3. Kurt Hartick mit 25-, 4. Franz Werner mit 21-, Heinz Tempel mit 16-, Oskar Elsmann mit 14-, und Otto Schubert mit 10 Siegen. Die hervorragenden Meister im Kanusport waren Paul Turich, Gerhard Geike, Rud. Weingärtner, Wilh. Ulrich, Ernst Scheffler, Max Leibrich, Werner Feustel und Otto Schubert. Die 5. Dekade von 1924-1934 nach Otto Blankenstein benannt, war die erfolgreichst mit 51 Siegen.

Diie Skuller Oswald und Kakiner (HRC, 1937)

Den nach dem Jubiläumsjahr wieder erreichten sportlichen Aufschwung in den Jahren 1935 und 1936 verdanken wir vorrangig zwei Ruderern, H. Fakiner und W. Oswald, die im Einer- und Doppelzweier 7 Siege mit heimbrachten.

Der Vierer Schönauer, Barthold, Kowalka und Blume mit dem jungen Steuermann Karl Hering jr. siegte viermal.

Durch die für 1937 angedachten Regattameldungen fühlten sich H. Fakiner und W. Oswald unterfordert und wechselten zum Halleschen Ruderclub, wo sie in den nächsten drei Jahren sehr erfolgreich waren.

Vielleicht wegen rückgehender Siege bildeten die Ruderclubs der Nelsonen und Böllberger 1938 eine Renngemeinschaft. Bis dahin ruderten die halleschen Ruderclubs im fairen Wettkampf getrennt. Lediglich gemeinsames Anrudern (erstmals 1896) führten beide Ruderclubs gemeinsam durch.

Durch den Kriegsausbruch wurden keine Mitgliederversammlungen mehr durchgeführt und der Vorstand (nach dem Tod von Otto Metz am 13.01.1939 wurde Kurt Heuermann 1. und Franz Büsching 2. Vorsitzender) blieb deshalb in dieser Form bestehen. Der Ruderbetrieb flachte in den Kriegsjahren sehr ab und wurde hauptsächlich von den Jugendruderern wahrgenommen. Die letzte beschickte Regatta fand am 29.09.1940 in Leipzig statt, wo der Verein nochmal einen Vierer- und einen Achtersieg einfuhr. Damit hatte der Verein in seiner Geschichte bei offenen Ruderregatten insgesamt 162 Siege errungen. Das Bootshaus wurde im Krieg glücklicherweise nicht beschädigt.

Da die Rudervereine aber in der Nazizeit Mitglied des Nationalsozialistischen Reichsbundes für Leibesübungen war, fielen sie unter das „Kontrollratsgesetz Nr. 2 zur Auflösung und Liquidierung von Naziorganisationen vom 10. Oktober 1945“ der Alliierten und wurden verboten. Das Vermögen und der Grundbesitz wurden eingezogen, -die Boote durch die Sowjets abtransportiert. Das Bootshaus wurde zum Volkshaus umfunktioniert. Das Rudern verboten. Wie es nach langem und vielseitigem Bemühen gelang, wieder in Halle zu rudern und wie sich die Ruderer der halleschen Vereine zusammentaten um unter Auflagen am 19. Februar 1949 eine Sparte Rudern im demokratischen Sportverein ZSG KWU, Abt. Fichte, zu gründen, wird im nächsten Kapitel beschrieben.