Kapitel 2.1: Hallescher Ruderverein „Böllberg“ von 1884 e. V.

Vorgeschichte der Vereinsgründung: Mitte 1884 gab es in Halle nach Dokumenten damaliger Zeitzeugen bis zu 13 Rudervereine, von denen jedoch nur 3 als Amateur-Rudervereine von Bedeutung waren und von denen jeder nur ein eigenes Renn- bzw. Sportboot besessen hat.

Für diese drei Vereine bestanden fast gleiche Eigentumsverhältnisse und ihre Erfolge waren bis dahin gleich Null. Während einer gemeinsamen Bootsfahrt der Rudervereine nach Wettin gab es erste Anregungen einer Fusion zu einem Verein, mit einem neuen Namen, dem Halleschen Ruderverein.

Dieser würde durch seine Synergieeffekte allen Beteiligten großen Vorteil bringen und den halleschen Rudersport gegenüber den inzwischen sehr erstarkten Konkurrenzvereinen stärken. In einer späteren Beratung zeigten die beiden Vereine Germania und Trafalgar Interesse zu einer Fusion unter den genannten Bedingungen, während Nelson es vorzog, auch fernerhin separat zu bleiben.

In der Gründerversammlung am 5. Juli 1884 im halleschen „Krug zum grünen Kranze“ entstand dann der „Hallesche Ruderverein von 1884“, der bereits mit seiner Gründung dem Deutschen Ruderverband beitrat.

Der Hallesche Ruderverein von 1884 wurde am 5. Juli 1884 im „Krug zum grünen Kranze“ gegründet. 31 Gründungsmitglieder (8 Aktive und 7 Passive von Trafalgar, 7 Aktive und 8 Passive von der Germania sowie ein Ehrenmitglied) bildeten den ersten Bestand. Am Gründungstag wurde auch der erste Vorstand gewählt: Franz Küstner = 1. Vorsitzender; A. Kneffel = Instrukteur; Carl Schwarz = 2. Vorsitzender; Wilhelm Dankwarth = Bootswart; Fr. Richter = Schriftführer; Rud. Ehrhardt = Kassierer
Die Vereinsgründungen Hallescher Rudervereine, von denen nach dem ersten Weltkrieg nur noch die drei großen Vereine Nelson, HRV und HRC bestehen bleiben sollten, zeigen dieses Schema.

Auf dem Privatgelände des Vereinsmitgliedes, dem Rittergutsbesitzer Bartels, auf der Peißnitz, errichtete der HRV auf dem von der „Germania“ bisher genutzten Gelände zur Unterbringung seiner beiden Boote, den Rennvierer „Vorwärts“ und den Übungsvierer „Schwalbe“ als Vereinssitz diesen Holzbau. Damit war der HRV der erste Ruderverein auf der Saale, der ein eigenes “Bootshaus“ hatte.

Das erste Ruderheim des Halleschen Rudervereins von 1884 auf der Peißnitz.
Am 12. April 1885 wurde ein neues Boot, ein Zwei-riemer-Dollen-Renngig, wie dieses Boot damalsgenannt wurde, auf den Namen Bismarck getauft, mit dem der erste auswärtige Start eines halleschen Rudervereins in Leipzig erfolgte (C. Schröder, W. Dank-warth, R.Ehrhardt als Stm.).

1885 übernahm Franz Richter den Vereinsvorsitz und hatte sofort die Erweiterung dieses Bootshauses betrieben. Ein Anbau wurde zum Sommerfest 1886 feierlich übergeben, wo der Gönner des Vereins, Rittergutsbesitzer Bartels, zum Ehrenmitglied ernannt wurde. Von ihm wurde das Bauland zur Verfügung gestellt und weitere Unterstützung gegeben.(1821 ging die Peißnitz wie auch das Vorwerk Gimritz mit Mühle durch hohe Verschuldung der Stadt Halle an den Giebichensteiner Dömänenpächter Bartels über. 1887 verkaufte Herr Bartels das Landgut Gimritz nebst Insel wiederan die Stadt Halle für 1 105 600 Mark).

Das Anrudern 1886 wurde in Gemeinschaft mit dem Ruderclub Nelson veranstaltet. In diesem Jahr errangen auf einer Weißenfelser Regatta die Mannschaft M. Nester, H. Bert-hold, Stm. R. Ehrhardt gegen den Magdeburger Ruderclub und dem Ruderclub Deutschland, Leipzig, den ersten Auswärtssieg des Halleschen Rudervereins.

Das erste Jahrzehnt des Halleschen Ruder-Vereins war bald erreicht, da bildeten sich dunkle Wolken am Himmel des Vereins. Nach Jahren friedlichen Einvernehmens traten Differenzen auf und etwa 30 Herren trennten sich vom Verein und gründeten den Halleschen Ruder-Club. Da diese nicht die schlechtesten waren, traf die Rennruderei ein schwerer Schlag. Man schloß sich danach noch fester zusammen und neue Mitglieder brachten neues Leben in den Verein.

Am 4. Dez. 1895 wurde von dem kleinen Verein der Beschluß gefasst, an gleicher Stelle des alten Bootsschuppens auf der Peißnitz, unterhalb der Gimritzer Schleuse, ein neues Ruderhaus zu errichten. Am 16. August 1896 war der Bau, den Baumeister Schulze für 4.500 M errichtete, fertig und konnte in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben werden. (Das Bootshaus wurde später von der Stadt für 8000 M gekauft und als Schüler-Bootshaus genutzt. Im Jahre 1931 wurde es abgerissen).

Das 1896 errichtete neue Bootshaus des Halleschen Rudervereins v. 1884.

Um am Rudersport mehr Interesse zu wecken und eine zentrale Organisation der Regatten zuerreichen, gründete man 1904 den Saale-Regatta-Verein. Das 25. Gründungsjahr nahte, in dem man auch größere sportliche Erfolge verzeichnen wollte.

Dazu stellte man als erster Ruderverein einen bezahlten Ruderlehrer ein. Herr Götz aus Berlin war vom März bis Mai zwei Monate tätig, dann ging das Geld aus. Jedoch im Jubiläumsjahr 1909 stellte man Ruderlehrer Eiser ein, was sich dann auch mit Erfolgen in 6 Siegen auszahlte. Nach Differenzen im Vorstand trat der damalige 2. Vorsitzende, Franz Joest, aus dem Verein aus.

Am 2. und 3. Oktober 1909 wurden dann die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen im Stadtschützenhaus durchgeführt. Die durch Mißverständnisse eingetretenen Unstimmigkeiten mit dem Saale-Regatta-Verein führten zum Wechsel in der Leitung. Der 1. Vorsitzende Bertram legte sein Amt nieder und auf Wunsch sämtlicher Mitglieder wurde Herr Joest wieder als Mitglied geworben und einstimmig am 16. Oktober 1909 zum 1. Vorsitzenden gewählt.

Mit seiner Devise: Bewußt-Bedacht-Planmäßig-Zielsicher verstand er es, dem Verein nunmehr eine bedeutende Wende zu geben. Mit steigenden Mitgliederzahlen und weiteren Bootskäufen wurde das Bootshaus auf der Peißnitz zu klein und man fasste auf Betreiben von Franz Joest am 5. Dez. 1910 den Beschluss, Land für ein neues Bootshaus zu suchen.

Einstimmig war man der Überzeugung, aus dem „Gondelteichbetrieb“ an der Peißnitz herauszu kommen, weil dort ein ordnungsgemäßes Training nichtmöglich war. Im Frühjahr 1911 schloss man mit der Witwe Naumann, Böllberg 23, einen Pachtvertrag für eine Wiese für 150 M/Jahr und sicherte sich die Vorkaufsrechte.

Die beiden Bootshäuser lagen, getrennt durch den Mühlgraben, nur etwa 200m voneinander getrennt, auf der Peißnitzinsel.

Derweil ging der Ruderbetrieb zielgerichtet weiter. Aus Bamberg kam zum Verein Oskar Elsmann, der wohl einer der talentiertesten Ruderer von Halle war. Der HRV erstritt von 1911-1914 insgesamt 16 Siege, an denen allein Elsmann 13 mal im Einer und 3mal als Schlagmann im Vierer beteiligt war (Oskar Elsmann ist im I. Weltkrieg gefallen).

Auf die gepachtete Wiese in Böllberg wurde durch Baumeister Lerche für 500 Mark ein Bootsschuppen errichtet, zu dem bereits ab 11. Mai 1912 die Trainingsleute einzogen und hier auf dem Saaleabschnitt außerhalb des Freizeitrummels im Stadtgebiet rudern konnten. Die Gaststätte Kurzhals in Böllberg wurde als „Vereinslokal“ genutzt.

Vor dem Umzug des gesamten Vereins wurde in der Hauptversammlung am 8. Februar die Namensänderung mit dem Zusatz Böllberg beschlossen und nach Genehmigung des Deutschen Ruder-Verbandes als: Hallescher Ruder-Verein „Böllberg“von 1884 e.V., Halle Saale, in das Vereinsregister eingetragen.

Am 17. Februar 1914 wurden für das über 5000m² große Grundstück und die zu bebauende Fläche von 812m² die Grenzen gezogen und am 24. Mai 1914 der erste Spatenstich getan. Ziel war die Fertigstellung zum 30jährigen Stiftungsfest im November 1914 geplant. 

Da brach am 2. August der I. Weltkrieg aus und damit ruhten erstmal bis Oktober alle Arbeiten. Eine enorme Leistung war es, bei dem durch Krieg entstandenen Mangel an eigenen Kräften und besonders auch an Handwerkern dennoch das Bootshaus am 11. September 1915 fertigzustellen. Das Bootshaus in Böllberg war das einzige in seiner Art und in seiner Zeit.

1926 wurde die Terrasse aufgestockt, weil diese trotz erheblich aufgewendeter Reparaturkosten nicht mehr dicht zu kriegen war. Daraus entstand ein Gesellschaftszimmer. Weihnachten 1926 wurde ein Ruderbecken, das aus Eigenmitteln selbsterbaut wurde, in Betrieb ge-nommen. Es war das erste Ruderbecken, das ein hallescher Ruderverein besaß. Obwohl das Bootshaus in Böllberg um 1915 von der Stadt Halle relativ weit entfernt lag, bot es viele Vorteile für einen ungestörten Trainingsbetrieb.

Die Saale um die Burg Giebichenstein und um die Peißnitz war in der Hauptsaison von Freizeitpaddlern, anderen Wassersportlern und Booten belegt. Es gab vielfach, teilweise öffentlich ausgetragene Auseinandersetzungen. Die nahe beieinanderliegenden Wehre erschwerten längere Trainingsfahrten. In Böllberg gab es diese Probleme nicht. Die Saale war relativ unbefahren und man konnte ohne Beeinträchtigung auf einer Strecke von über 10km trainieren. Mit dem Anrudern beginnt in jedem Jahr derkontinuierliche Trainingsbetrieb. Dabei werdenin der Regel die Aktiven zum Training verpflichtet und oft neuangeschaffte Boote getauft. Die Trainingsverpflichtung legt jedem Aktiven bestimmte festgelegte Verhaltensregeln auf, die ein Optimum an Trainingsleistung und Wettkampfstärke sichern sollen.